Manche Kröten muss man küssen

Der kleine Bär warf wütend seinen Ranzen in die Ecke. Dicke Tränen liefen ihm übers Gesicht. Sie hatten ihm aufgelauert. Einen Kreis um ihn gebildet, und ihn dann zusammengeschlagen. Warum immer ich, dachte er. Was mache ich bloß falsch.

Ja, er hatte gepetzt. Aber der kleine Bär hatte sich so furchtbar geärgert über die Typen, die das Schulklo komplett verwüstet hatten. Das Schulklo war sowieso ein Graus, aber nach der Aktion vorgestern konnte man es sich wirklich nur noch verkneifen.

Was der kleine Bär am allerwenigsten verstand, woher die Rowdys gewusst hatten, dass er es gewesen war, der es dem Lehrer gesagt hatte. Mochte der Lehrer die Rowdys etwa? Wollte der Lehrer, dass der kleine Bär eine Abreibung bekommt?

Was ist richtig, was ist falsch? Wie soll man das nur wissen, dachte der kleine Bär.

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Rudy bleibt stur

Der kleine Elf Smirno ist kreuzunglücklich. Rudy weigert sich standhaft, eine Maske zu tragen. „Ich bin das Rentier mit der roten Nase. Niemand wird sie sehen, wenn ich so ein doofes Ding aufsetze!“ Wie soll Smirno das nur dem Weihnachtsmann erklären? Er versucht es noch einmal. „Wir malen einen roten Punkt auf deine Maske, dann wissen alle wer du bist, was hältst du davon?“ Rudy schnaubt. „Mal dir deinen roten Punkt auf den Popo! Entweder fliege ich ohne Maske oder gar nicht.“

Smirno bleibt nichts anderes übrig, er muss Nikolaus um Rat bitten. Aber da kommt er an die falsche Adresse. „Spinnst du? Dieses Weihnachten ist das schlimmste, das ich je hatte! Guck mal, dieses Kind wünscht sich, dass seine ungeimpften Eltern bei seiner Ballett-Aufführung dabei sein dürfen! Erstens, wann haben sich Kinder jemals sowas gewünscht? Als Nächstes wünschen sie sich noch, dass sie mit Mama zum Einkaufen dürfen! Und zweitens, wie stellt die Kleine sich das eigentlich vor? Soll ich mal eben die Regierung stürzen, oder was? Ich bin verflucht noch mal der Weihnachtsmann, ich habe keine Ahnung von politischen Kampagnen!“

Smirno macht, dass er aus der Weihnachtswerkstatt wieder herauskommt. Wenn Nikolaus in so einer Stimmung ist, kann alles passieren, einfach alles. Letztes Jahr, da hatte sein Kumpel Ritzelpotz es im höchsten Stress der letzten Stunden vor dem Wiegenfest gewagt, dem Weihnachtsmann den Einsatz einer neuen Navigationssoftware von Google vorzuschlagen. „Google!“ hatte der Weihnachtsmann geschrieen. „Die schicken mich doch für jedes Kind, das auf einer Demo war, an den Südpol!“ Und Ritzelpotz musste danach 3 Monate mit Eselsohren herumlaufen.

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Die Mühle der Ewigkeit

Es waren goldene Zeiten. Mit großen Erfolgen in Wissenschaft und Technik war Deutschland zu einer führenden Macht in Europa aufgestiegen und ein ernstzunehmender Akteur in der internationalen Politik geworden.

Heinz hatte gerade den Schulabschluss in der Tasche, und bald würde die Universität beginnen. Er fuhr durch das Land, um seine geliebte Heimat besser zu verstehen. Geboren war er in Ostpreußen, in Bischofsburg, doch schon als er erst drei Jahre alt gewesen war, waren seine Eltern nach Bayern in das schöne Städtchen Füssen übergesiedelt. Vom Rest des Reiches kannte Heinz nicht viel, und so nutzte er die Zeit zwischen dem Ende der Schule und dem Anfang seines Studiums der Schiffbautechnik für eine Rundreise.

Es versteht sich, dass er besonders zu den Häfen wollte, denn für die wollte er doch Schiffe bauen. Und in Bremen geschah es.

Heinz traf einen Engel.

Nun, keinen richtigen Engel. Einen aus Fleisch und Blut, Johanna war ihr Name. Johanna war aus armer Familie und arbeitete als Hausangestellte bei einem Fabrikanten. Ihr einziges Vergnügen war der Tanztee im Café, das eine Mal in der Woche, wenn sie ein wenig Zeit für sich hatte und nicht nur dienstbarer Geist sein musste, ohne Namen – „Das Mädchen soll sich darum kümmern.“

Johanna war geschmeichelt durch die offensichtliche Entzückung, die sie in dem adretten Jungen auslöste. Sehr ungeschickt war er jedoch, kaum einen geraden Satz brachte er hervor. Erst spät am Abend wurde er freier und auch durchaus charmant. Es war das Bier, das ihm die Zunge löste. Johanna kannte sich mit dergleichen aus. Sie hatte ihren Vater früh an den Alkohol verloren, und so war sie recht vorsichtig. Aber Heinz war der erste Mann in ihrem Leben, der ihr das Gefühl gab, wertvoll zu sein.

Nach dem zweiten Tanztee erzählte sie Heinz, dass sie abends die Hunde auszuführen hatte. Und so trafen sie sich bald jeden Tag im Park, wenn die Dämmerung fiel.

Heinz wusste, das ist sie. Bald würde er wieder nach Hause müssen, aber ohne sie konnte er nicht gehen. Er fiel auf die Knie vor Johanna. „Bitte komm mit, was willst du noch hier. Ich werde es möglich machen, für dich hole ich sogar die Sterne vom Himmel.“

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Auf den Flügeln der Liebe

Der Zug fuhr durch die Nacht. Manchmal huschten ein paar Lichter vorbei, aber die meiste Zeit sah Karl nur sein Spiegelbild im Fenster. Er sollte schlafen, dringend, aber es ging nicht. Morgen würde er sie endlich wiedersehen.

Er hatte es sich wieder und wieder vorgestellt. Sie würde auf ihn zulaufen, in seine Arme springen, wie früher, „Engelein flieg“. Aber sie versteckte sich hinter der Mutter, wagte es kaum, ihn anzusehen. Die Freundin hatte seine Ex-Frau auch mitgebracht, musste das sein. Als würde ein glühendes Messer in seinem Herzen rühren.

„Du verstehst mich einfach nicht. Sabrina weiß was ich fühle, du bist einfach nur ein grober Klotz. Du gehst zur Arbeit, und dann bist du müde. Was in mir vorgeht, das ist dir egal. Ich werde gehen, mit Sabrina habe ich endlich einen Menschen gefunden, dem ich etwas wert bin.“

Aber du bist mir doch so viel wert, hatte er gedacht. Geh du mal den ganzen Tag auf die Baustelle, dann wirst du schon sehen, wie müde du abends bist. Und dass du dann einfach nicht mehr kannst, keine Kraft mehr hast dir anzuhören, wie benachteiligt du bist, weil du dich nicht „entfalten“ kannst.

Warum war es dir nicht genug, unserem kleinen Engel die Flügel zu entfalten?

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